Beschreibung des Systems Castanedas

Wir haben mehr Möglichkeiten als wir glauben

Castaneda unterscheidet zwischen den Alternativen und den Möglichkeiten der Menschen. unsere Alternativen sind begrenzt durch die Beschränkungen unserer Weltsicht, die von unserer Umgebung vorgegeben sind. Die menschlichen Möglichkeiten, dass was wir erreichen können, ist wesentlich mehr, wir müssen uns aber davon überzeugen lassen.

 

Wir sind nur gekommen,
ein Traumbild zu sehen, wir sind
nur gekommen zu träumen, nicht wirklich, nicht wirklich sind wir gekommen,
auf der Erde zu leben.

Tochihuitzin Coyolchiuhqui (aztekischer Dichter, um 1419)

Zauberer sagen, dass die wahre Rebellion eine Revolution gegen die eigene Dummheit ist, und dass dies unser einziger Ausweg ist. Ihr versteht, dass man diese Arbeit nur alleine tun kann.

aus: Torres, Armando. Begegnungen mit dem Nagual : Gespräche mit Carlos Castaneda

 

Unsere Weltsicht

Unser Verstand verlangt nach einer Erklärung all dessen, was eine Weltsicht umfasst. Norbert Classen begann ein Studium der Philosophie, das ihm ein tieferes Verständnis der toltekischen Lehren erschloss. Es stellte sich heraus, daß das Wissen der Tolteken im Lichte der Philosophiegeschichte gar nicht so fremdartig ist, wie der erste Eindruck vermuten lässt, sondern dass es eine geradezu zwingende Folgerichtigkeit besitzt, die in Strenge und Konsequenz keiner abendländischen Wissenschaft nachsteht. Der Eindruck der »Fremdartigkeit« entsteht vielmehr aus dem für uns Europäer schwer zugänglichen indianischen Kontext, aus dem jene Lehren entsprungen sind.

aus: Norbert Classen Das Wissen der Tolteken

Platons Ideenlehre

 

Platons originellster Beitrag zur Philosophie ist die sogenannte »Ideenlehre «. Unter »Idee« versteht man in der Alltagssprache eine private mentale Vorstellung, wie z. B. das eigene mentale Bild eines Baumes oder eines Pferdes Manchmal sagen wir »Ich habe eine Idee!« und meinen damit, dass wir einen Einfall oder die Lösung eines Problems gefunden haben. Ganz anders ist Platons Gebrauch des Wortes eídos, das etymologisch »Form«, »Gestalt« oder »Aussehen« bedeutet. Was Platon damit meint, wird im Dialog Phaidon ersichtlich: Hier wird zunächst der platonische Begriff einer Idee mit dem Begriff der letzten Ursache (Grund, Erklärung) aller sinnlich wahrnehmbaren Dinge gleichgesetzt. Was eine Idee sei, und wieso man an ihre Existenz glauben muss, wird dann wie folgt erklärt:

Ich will also versuchen, dir den Begriff der Ursache aufzuzeigen, womit ich mich beschäftigt habe, und [...] fange davon an, dass ich voraussetze, es gebe ein Schönes an und für sich, und ein Gutes und Großes [...]. Mir scheint nämlich, wenn irgendetwas anderes schön ist außer jenem Schönen selbst, dass es wegen gar nichts anderem schön sei, als weil es teilhabe an jenem Schönen, und ebenso sage ich von allem. [...] Und so verstehe ich denn gar nicht mehr und begreife nicht jene anderen gelehrten Gründe; sondern wenn mir jemand sagt, weswegen irgendetwas schön ist, entweder weil es blühende Farbe hat oder Gestalt oder sonst etwas dieser Art, so lasse ich das andere denn durch alles übrige werde ich nur verwirrt gemacht – und halte mich ganz einfach und kunstlos und vielleicht einfältig bei mir selbst daran, dass nichts anderes es schön macht als eben jenes Schöne, nenne es nun Anwesenheit oder Gemeinschaft, wie nur und woher sie auch komme, denn darüber möchte ich nichts weiter behaupten, sondern nur, dass vermöge des Schönen alle schönen Dinge schön werden.  Dieser Abschnitt mag schwierig erscheinen, aber Platons Gedankengang lässt sich mit einem trivialen Beispiel erläutern. Angenommen, ein bestimmtes Ding (z. B. eine Vase) sei schön: Wie lässt sich diese Tatsache erklären? Es liegt nahe, diese Frage mit Bezug auf die wahrnehmbaren Eigenschaften der Vase zu beantworten, z. B. ihre Gestalt oder ihre Farben. Aber diese Erklärung ist unbefriedigend, denn sie setzt voraus, dass die Gestalt, die Farben oder ihre Kombination selbst schön seien: Die Vase ist schön, sagt man, weil sie schöne Farben hat; aber wieso sind die Farben schön? Die grundlegende Frage, wieso die Vase schön sei, kann also nicht beantwortet werden, solange man nur Bezug nimmt auf ihre empirischen (sinnlich wahrnehmbaren) Eigenschaften. Das alles scheint nachvollziehbar zu sein. An diesem Punkt nimmt Platons Argumentation jedoch eine überraschende Wende. Wenn der Grund, wieso die Vase schön ist, nicht ihre empirischen Eigenschaften sind, dann muss er nicht-empirischer Art sein. Wieso ist die Vase schön? Die Vase ist schön, so Platon, weil sie an der Schönheit an sich bzw. an der Idee der Schönheit teilhat. Eine solche Idee ist ein realer Gegenstand nicht sinnlicher Art, den wir aber mit unserem Verstand erfassen können.

 

Castanedas Erklärung

Dieses Erklärungsmuster kann nach Castaneda wie folgt dargestellt werden:

Die Menschen vollbringen als Lebewesen ein erstaunliches Wahrnehmungsmanöver, das leider zu einem Missverständnis führt und einen falschen Eindruck schafft. Die Menschen benutzen den Zustrom reiner Energie im Universum dazu, ihn in sensorische Daten zu verwandeln, die sie nach einem starren Interpretationssystem deuten. Man kann dieses System die menschliche Form nennen. Dieser magische Akt der Interpretation reiner Energie führt zu dem Missverständnis und der sonderbaren Überzeugung der Menschen, ihr Interpretationssystem sei das einzige, das es gibt.

Ein Beispiels: Der Begriff Baum, also das, was wir Menschen unter Baum verstehen, ist eher eine Interpretation als eine Wahrnehmung. Um das Vorhandensein von Baum festzustellen, genüge den Menschen ein kurzer Blick, der ihnen kaum etwas verrät. Alles Übrige sei ein Phänomen, das man als Aufrufen der Intention bezeichnen kann, nämlich der Intention des Baums. Das heißt, es handelt sich um eine Interpretation von Sinnesdaten, die das bestimmte Phänomen betreffen, das die Menschen Baum nennen. Wie in diesem Beispiel, besteht die ganze Welt des Menschen aus einem unendlichen Repertoire von Interpretationen, bei denen die menschlichen Sinne nur eine geringe Rolle spielen. Mit anderen Worten, nur der Gesichtssinn nimmt den Zustrom von Energie aus dem Universum wahr, und das nur oberflächlich.

Daher ist die Welt des alltäglichen Lebens nicht wirklich oder so, wie wir dies annehmen. Die Wirklichkeit oder die Welt, die wir alle kennen, ist nur eine Beschreibung, die uns seit dem Augenblick der Geburt eingehämmert worden ist.

Die Grundprämisse der Zauberei, wie Don Juan sie mir darlegte: Für einen Zauberer, sagte er, sei die Welt des alltäglichen Lebens nicht wirklich oder so, wie wir dies annehmen. Für einen Zauberer sei die Wirklichkeit oder die Welt, die wir alle kennen, nur eine Beschreibung.

Um diese Prämisse zu begründen, gab Don Juan sich alle Mühe, mich davon zu überzeugen, dass das, was in meinen Augen die wirklich vorhandene Welt war, nur eine Beschreibung der Welt sei; eine Beschreibung, die mir seit dem Augenblick meiner Geburt eingehämmert worden sei.

Jeder, der mit einem Kind in Kontakt komme, erklärte er, sei ein Lehrer, der unaufhörlich die Welt erkläre, bis zu dem Augenblick, wo das Kind die Welt so wahrnehmen könne, wie sie ihm erklärt wird. Nach Don Juan haben wir keine Erinnerung an diesen folgenschweren Augenblick, einfach weil wir keinen Bezugsrahmen hatten, in dem wir ihn mit etwas anderem hätten vergleichen können. Doch von diesem Augenblick an ist das Kind ein Mitglied. Es kennt die Beschreibung der Welt; und es erreicht, glaube ich, die volle Mitgliedschaft, wenn es in der Lage ist, alle seine Wahrnehmungen so zu deuten, dass sie mit dieser Beschreibung übereinstimmen und sie dadurch bestätigen.

 

Daher ist das, was wir als Welt wahrnehmen, nicht die Realität.

Da wir mit ihr vertraut sind, glauben wir, dass das, was wir wahrnehmen, eine Welt der Dinge sei, die genauso existieren, wie wir sie wahrnehmen, während es in Wirklichkeit eine Welt der Dinge gar nicht gibt, sondern vielmehr ein Universum von Emanationen: Licht, Geruch, Geschmack, Geräusche, Tastsinn.

Diese Emanationen stellen die einzig unabänderliche Realität dar, eine Realität, die alles Existierende umfasst, das Wahrnehmbare wie das Nichtwahrnehmbare, das Erkennbare und das Unerkennbare.

Die Emanationen werden wegen ihrer zwingenden Kraft Befehle« genannt. Alle lebenden Wesen sind gezwungen, die Emanationen zu benutzen, was sie tun, ohne je in Erfahrung zu bringen, was jene sind. Der Durchschnittsmensch interpretiert sie als Wirklichkeit. Diejenigen, die um diese Emanationen wissen, interpretieren sie als die »Regel«.

Die Beschreibung steht außerhalb dieser Dinge. Der Begriff Beschreibung bezeichnet eine menschliche Übereinkunft, während das, was wir wahrnehmen, einem Befehl entspringt, für den menschliche Übereinkünfte nicht zählen.

Man darf diese Aussage nicht oberflächlich falsch verstehen. Sie bezieht sich auf die Tatsache, dass wir durch die Emanationen gezwungen werden wahrzunehmen. Das, was wir wahrnehmen, ist jedoch das Produkt unserer Weltbeschreibung und mithin eine soziale Übereinkunft. Die Quelle der Wahrnehmung bleibt jedoch weiterhin im Dunkel verborgen und entzieht sich gänzlich dem menschlichen Erkenntnisvermögen.

 

Es ist die Aufmerksamkeit, die uns die Emanationen des Adlers als Beschreibung und Akt des »Abschöpfens« wahrnehmen lässt

Die Wahrnehmung ist eine physische Fähigkeit, die von allen lebenden Wesen ausgebildet wird; das Endresultat dieser Ausbildung beim Menschen ist als »Aufmerksamkeit« bekannt. Die Aufmerksamkeit ist beschrieben als Akt des Einfangens und Lenkens der Wahrnehmung. Dieser Akt ist unsere größte Errungenschaft, und umfasst die ganze Skala der Alternativen und Möglichkeiten des Menschen. Es gibt dabei eine genaue Unterscheidung zwischen Alternativen und Möglichkeiten. Menschliche Alternativen sind diejenigen, zwischen denen wir als Personen innerhalb unseres sozialen Umfelds wählen können. Unser Panorama in diesem Bereich ist äußerst beschränkt. Menschliche Möglichkeiten sind hingegen jene, die wir zu erreichen imstande sind.

Der Aufmerksamkeit wurde gelehrt, sich blitzschnell durch ein ganzes Spektrum von Emanationen zu bewegen, ohne auf diese auch nur den geringsten offensichtlichen Nachdruck zu legen. Dies geschehe mit dem Ziel, »Wahrnehmungseinheiten« zu erreichen, von denen wir alle gelernt haben, dass sie wahrnehmbar sind. Man nennt diese Tätigkeit der Aufmerksamkeit »Abschöpfen« (Extrahieren), weil es die Fähigkeit miteinschließt, überflüssige Emanationen zu unterdrücken und andere auszuwählen, die hervorgehoben werden müssen. Am Beispiel eines Berges, den wir in diesem Moment sahen, wird der Prozess wie folgt erklärt. Die Aufmerksamkeit schöpft in dem Augenblick, in dem sie den Berg sieht, eine endlose Anzahl von Emanationen ab. Damit bewirkt sie ein Wunder der Wahrnehmung: einen Extrakt, den alle Menschen kennen, weil es jedem von uns gelungen ist, ihn für sich selbst zu erreichen. Alles, was die Aufmerksamkeit beim Erstellen eines Extrakts unterdrückt, kann unter keinen Umständen mehr von ihr wiedererlangt werden. Nachdem wir einmal gelernt haben, mit Hilfe von Extrakten wahrzunehmen, bemerken unsere Sinne die überflüssigen Emanationen nicht mehr.

Aus der Sicht des Durchschnittsmenschen, sind die Möglichkeiten des Menschen Unfug oder ein finsteres Geheimnis, das er nicht begreift. Und er hat recht - nicht, weil dies eine unabänderliche Tatsache wäre, sondern weil der Durchschnittsmensch nicht genug Energie hat, um sich auf die Möglichkeiten einzulassen.

Der Mensch kommt mit einem gewissen Quantum an Energie zur Welt - eine Energie, die sich von Geburt an konsequent entfaltet, um durch die Modalität der Zeit möglichst vorteilhaft genutzt zu werden. Die Modalität der Zeit ist jenes Bündel von Energiefeldern, das wir wahrnehmen. Die Wahrnehmung des Menschen hat sich im Lauf der Jahrhunderte verändert. Der augenblickliche Zeitpunkt ist es, der den Modus unserer Wahrnehmung bestimmt. Die Zeit bestimmt, welches aus einer unendlichen Zahl von gebündelten Energiefeldern jeweils genutzt werden soll. Die Beschäftigung mit dem Zeitmodus mit den wenigen ausgewählten Energiefeldern - verbraucht alle unsere Energie.  und uns bleibt nichts, was uns helfen könnte, andere Energiefelder zu nutzen.

Der Durchschnittsmensch hat nicht genug Energie, um sich mit den Möglichkeiten zu beschäftigen. Nutzt er nur jenes Quantum Energie, das er hat, dann kann er nicht die Welten wahrnehmen, welche gesehen werden können. Um diese wahrzunehmen, muss ein Bündel von Energiefeldern angezapft werden, das normalerweise nicht genutzt wird. Will der Durchschnittsmensch diese Welten wahrnehmen und die erweiterten Wahrnehmungen verstehen, dann muss er genau dasselbe Bündel nutzen, das sie genutzt haben. Und dies kann der Durchschnittsmensch nicht, weil seine ganze Energie schon verbraucht ist.

Stellt es Euch folgendermaßen vor: Was man im Lauf der Zeit lernt, ist ja Energie zu sparen. Und diese Energie wird dich befähigen, einige Energiefelder zu erschließen, die dir jetzt noch unzugänglich sind. Das nämlich ist die erweiterte Wahrnehmung: die Fähigkeit, Energiefelder zu nutzen, die beim Wahrnehmen der alltäglichen Welt, wie wir sie kennen, nicht genutzt werden. Das ist ein Bewusstseinszustand. Es die Fähigkeit, etwas wahrzunehmen, was die gewöhnliche Wahrnehmung nicht wahrzunehmen vermag. 

Im Universum, gibt es eine unermessliche und unbeschreibliche Kraft, die Absicht. Und alles im Kosmos Existierende ist durch ein Bindeglied mit der Absicht verknüpft. Notwendig ist es, dieses Bindeglied zu klären.  zu verstehen und zu nutzen. Vor allem bemühen sich die Wissenden, dieses Bindeglied von den lähmenden Folgen zu läutern, wie es die gewöhnlichen Sorgen des Alltags bedingen. Dieses bedeutet einen Prozess der Läuterung unseres Bindeglieds zur Absicht. Dieser Prozess ist schwer zu verstehen und noch schwerer durchzuführen. Darum werden die Lehren unterteilt in zwei Kategorien: erstens, die Unterweisung für die alltäglichen Bewusstseinszustände, in denen der Läuterungsprozess nur in getarnter Form sichtbar werde; zweitens, die Unterweisung für Zustände gesteigerter Bewusstheit. In solchen Zuständen erlangt man das Wissen direkt von der Absicht - ohne die ablenkende Vermittlung gesprochener Worte. 

Carlos Castaneda: Sechs grundlegende Lehrsätze (Übersetzt aus dem Mexikanischen von José Zaragoza)

 

Trotz der erstaunlichen Manöver, die Don Juan mit meiner Bewußtheit vollführte, bestand ich im Laufe der Jahre eigensinnig darauf, seine Taten mit dem Intellekt bewerten zu wollen. Obwohl ich viel über diese Manöver geschrieben habe, so ist dies immer aus dem Blickwinkel der eigenen Erfahrung heraus geschehen und außerdem aus einer voll und ganz vernunftbezogenen Position. Verstrickt in meine eigene Rationalität, konnte ich die Ziele der Lehren des Don Juan nicht erkennen. Um die Reichweite dieser Ziele halbwegs verstehen zu können, war es notwendig, daß ich meine menschliche Form verlor und die Ganzheit meines Selbst erreichte. Die Lehren des Don Juan hatten das Ziel, mich durch die zweite Phase der Entwicklung eines Kriegers zu leiten: den Beweis und das bedingungslose Akzeptieren der Tatsache, daß es in uns eine andere Art der Bewußtheit gibt. Diese Phase war in zwei Kategorien unterteilt. Die erste, für welche Don Juan die Hilfe Don Genaros benötigte, betraf die Handlungen. Dabei wurden mir bestimmte Vorgehensweisen, Aktionen und Methoden gezeigt, die mein Bewußtsein trainieren sollten. Die zweite bestand in der Abhandlung der sechs grundlegenden Lehrsätze.333 Aufgrund der Schwierigkeiten, meine Vernunft so anzupassen, daß ich die Folgerichtigkeit seiner Lehren hätte akzeptieren können, präsentierte mir Don Juan diese erklärenden Lehrsätze auf eine Art, die meiner schulischen Vorbildung entsprach. Das erste, was Don Juan tat, war die Schaffung einer Spaltung in mir mit Hilfe eines genauen Schlages auf das rechte Schulterblatt, der mich in einen ungewohnten Bewußtseinszustand treten ließ, an den ich mich aber nicht mehr erinnern konnte, nachdem ich wieder in die Normalität zurückgekehrt war. Bis zu dem Augenblick, in dem mich Don Juan in diesen Bewußtseinszustand eintreten ließ, hatte ich einen unwiderlegbaren Sinn für Kontinuität, die, wie ich glaubte, ein Produkt meiner Lebenserfahrung war. Die Idee, die ich von mir selber hatte, war die, ein vollständiges Wesen zu sein, das über alles Rechenschaft ablegen könne, was es je getan hatte. Außerdem war ich davon überzeugt, daß der Ort, an dem sich all meine Bewußtheit befand, in meinem Kopf sei. Don Juan demonstrierte mir jedoch mit seinem Schlag, daß es ein Zentrum an der Wirbelsäule gibt, in Höhe der Schulterblätter, welches offensichtlich ein Platz der gesteigerten Bewußtheit ist. Als ich Don Juan über die Natur dieses Schlages befragte, erklärte er, daß der Nagual ein Führer sei, der die Verantwortung trage, den Weg zu bahnen, und der makellos sein müsse, um seine Krieger mit einem Gefühl der Zuversicht und Klarheit zu durchtränken. Nur unter diesen Voraussetzungen ist ein Nagual in der Lage, auf den Rücken zu schlagen, um eine Verschiebung des Bewußtseins herbeizuführen, denn es ist die Kraft des Nagual, die diese Veränderung bewirkt. Wenn der Nagual kein makelloser Praktiker ist, findet die Verschiebung nicht statt, wie es bei mir der Fall war, als ich vergeblich versuchte, die anderen Lehrlinge in einen gesteigerten Bewußtseinszustand zu versetzen, indem ich sie auf den Rücken prügelte, bevor wir uns auf die Brücke wagten. Ich fragte Don Juan danach, wie diese Verschiebung geschehe. Er sagte, daß der Nagual einen bestimmten Punkt anschlagen müsse, welcher von Mensch zu Mensch variiert, der sich aber immer in der Gegend der Schulterblätter befindet. Ein Nagual muß »sehen«, um die genaue Stelle zu finden, die sich auf der Schale des leuchtenden Eies befindet und nicht im physischen Körper; hat sie der Nagual ausfindig gemacht, stößt er sie eher an, als daß er schlägt, und schafft so eine Delle, eine Vertiefung im leuchtenden Kokon. Der gesteigerte Bewußtseinszustand, der durch diesen Schlag herbeigeführt wird, dauert so lange an, wie die Vertiefung bestehenbleibt. Manche Lichteier kehren von selbst zu ihrer ursprünglichen Form zurück, manche müssen zu diesem Zweck auf eine andere Stelle geschlagen werden, und einige erreichen niemals wieder ihre ovale Form. Don Juan sagte, daß die »Seher« das Bewußtsein als einen eigentümlichen Glanz sehen. Die Bewußtheit des alltäglichen Lebens ist ein Leuchten auf der rechten Seite, das sich von der Außenseite des physischen Körpers bis zur Peripherie des Lichteies ausdehnt. Die gesteigerte Bewußtheit ist ein intensiverer Glanz, der sich mit großer Geschwindigkeit und Konzentration anheftet und der die Peripherie der linken Seite erfüllt.334 Don Juan sagte, daß die Seher das, was beim Nagualschlag geschieht, als eine vorübergehende Verschiebung eines Zentrums erklären, welches sich am leuchtenden Kokon des Körpers befindet. In diesem Zentrum werden die Emanationen des Adlers abgeschätzt und ausgewählt. Der Nagualschlag verändert dessen normale Funktion. Durch ihre Beobachtungen sind die Seher zu dem Schluß gelangt, daß die Krieger in diesen Zustand der Desorientierung versetzt werden müssen. Der Wechsel in der Art und Weise, wie das Bewußtsein unter diesen Bedingungen funktioniert, bringt es nämlich mit sich, daß dieser Zustand ideal ist, um die Befehle des Adlers zu erläutern: er erlaubt den Kriegern, wie im Alltagsbewußtsein zu funktionieren, mit dem Unterschied, daß sie sich mit einer unvergleichlichen Klarheit und Kraft auf all ihr Tun konzentrieren können. Don Juan erzählte, daß meine Situation dem ähnlich sei, was er erlebt hatte. Sein Wohltäter schuf eine tiefe Spaltung in ihm, indem er ihn immer wieder von der rechten auf die linke Seite wechseln ließ. Die Klarheit und Freiheit seiner linksseitigen Bewußtheit standen in direktem Gegensatz zu den Rationalisierungen und dem unaufhörlichen Abwehren seiner rechten Seite. Er sagte mir, daß alle Krieger in die Tiefen derselben Situation – in Gestalt dieser Polarität – gestoßen würden und daß der Nagual die Spaltung schafft und verstärkt, um seine Schüler zu überzeugen, daß es im menschlichen Wesen ein Bewußtsein gibt, welches noch nicht erforscht ist.

1 Das, was wir als Welt wahrnehmen, sind die Emanationen des Adlers

Don Juan erklärte mir, daß die Welt, die wir wahrnehmen, keine transzendente Realität hat. Da wir mit ihr vertraut sind, glauben wir, daß das, was wir wahrnehmen, eine Welt der Dinge sei, die genau so existieren, wie wir sie wahrnehmen, während es in Wirklichkeit eine Welt der Dinge gar nicht gibt, sondern vielmehr ein Universum von Emanationen des Adlers. Diese Emanationen stellen die einzig unabänderliche Realität dar, eine Realität, die alles Existierende umfaßt, das Wahrnehmbare wie das Nichtwahrnehmbare, das Erkennbare und das Unerkennbare. Seher, die die Emanationen des Adlers sehen, nennen sie wegen ihrer zwingenden Kraft »Befehle«. Alle lebenden Wesen sind gezwungen, die Emanationen zu benutzen, was sie tun, ohne je in Erfahrung zu bringen, was jene sind. Der Durchschnittsmensch interpretiert sie als Wirklichkeit. Und die Seher, die diese Emanationen sehen, interpretieren sie als die »Regel«. Obschon die Seher die Emanationen sehen, haben sie keine Möglichkeit, je zu wissen, was sie da sehen. Aber anstatt sich zu überflüssigen Mutmaßungen anzuschicken, beschäftigen sich die Seher mit praktischen Überlegungen, wie sie die Befehle des Adlers interpretieren können. Don Juan behauptete, daß das intuitive Erfassen einer Realität, die die von uns wahrgenommene Welt transzendiert, nicht mehr als eine Vermutung bleibe; es genüge einem Krieger nicht zu vermuten, daß die Befehle des Adlers von allen auf der Erde lebenden Wesen unaufhörlich wahrgenommen werden und daß keines von ihnen auf dieselbe Weise wahrnimmt. Die Krieger müssen daher versuchen, Zeugen des Flusses der Emanationen zu werden und die Art zu »sehen«, wie der Mensch und andere Lebewesen diese beim Aufbau ihrer wahrnehmbaren Welt benutzen. Als ich vorschlug, den Ausdruck »Beschreibung« anstelle von Emanationen des Adlers zu verwenden, machte Don Juan mir klar, daß dies keine Metapher sei. Er sagte, daß der Begriff Beschreibung eine menschliche Übereinkunft bezeichnet, während das, was wir wahrnehmen, einem Befehl entspringt, für den menschliche Übereinkünfte nicht zählen.

2 Es ist die Aufmerksamkeit, die uns die Emanationen des Adlers als Akt des »Abschöpfens« wahrnehmen läßt

Don Juan sagte, daß die Wahrnehmung eine physische Fähigkeit sei, die von allen lebenden Wesen ausgebildet wird; das Endresultat dieser Ausbildung beim Menschen ist bei den Sehern als »Aufmerksamkeit« bekannt. Don Juan beschrieb Aufmerksamkeit als den Akt des Einfangens und Lenkens der Wahrnehmung. Er sagte, daß dieser Akt unsere größte Errungenschaft sei, und daß er die ganze Skala der Alternativen und Möglichkeiten des Menschen umfaßt. Don Juan machte dabei eine genaue Unterscheidung zwischen Alternativen und Möglichkeiten. Menschliche Alternativen sind diejenigen, zwischen denen wir als Personen innerhalb unseres sozialen Umfelds wählen können. Unser Panorama in diesem Bereich ist äußerst beschränkt. Menschliche Möglichkeiten sind hingegen jene, die wir als leuchtende Wesen zu erreichen imstande sind. Don Juan offenbarte mir ein Schema mit drei Typen von Aufmerksamkeit, wobei er betonte, daß es irreführend sei, sie »Typen« zu nennen. In Wirklichkeit handle es sich um drei Ebenen des Wissens: die erste, zweite und dritte Aufmerksamkeit; jede einzelne ein in sich vollständiger, unabhängiger Bereich. Für einen Krieger in der Anfangsphase seiner Lehrzeit ist die erste Aufmerksamkeit die bei weitem wichtigste von diesen dreien. Don Juan sagte, daß seine erklärenden Lehrsätze beabsichtigen, dieser ersten Ebene die Funktionsweise der ersten Aufmerksamkeit zugänglich zu machen, etwas, das von uns meist gänzlich unbeachtet bleibt. Er befand es für unbedingt notwendig, daß die Krieger die Natur der ersten Aufmerksamkeit verstehen, bevor sie darangehen, sich je in eine der anderen zwei vorzuwagen. Er erklärte mir, daß der ersten Aufmerksamkeit gelehrt wurde, sich blitzschnell durch ein ganzes Spektrum von Emanationen zu bewegen, ohne auf diese auch nur den geringsten offensichtlichen Nachdruck zu legen. Dies geschehe mit dem Ziel, »Wahrnehmungseinheiten« zu erreichen, von denen wir alle gelernt haben, daß sie wahrnehmbar sind. Die Seher nennen diese Tätigkeit der ersten Aufmerksamkeit »Abschöpfen« (Extrahieren), weil es die Fähigkeit miteinschließt, überflüssige Emanationen zu unterdrücken und andere auszuwählen, die hervorgehoben werden müssen. Don Juan erklärte mir diesen Prozeß am Beispiel des Berges, den wir in diesem Moment sahen. Er behauptete, daß meine erste Aufmerksamkeit in dem Augenblick, in dem sie den Berg sieht, eine endlose Anzahl von Emanationen abgeschöpft und damit ein Wunder der Wahrnehmung bewirkt hat: einen Extrakt, den alle Menschen kennen, weil es jedem von uns gelungen ist, ihn für sich selbst zu erreichen. Die Seher sagen, daß alles, was die erste Aufmerksamkeit beim Erstellen eines Extrakts unterdrückt, unter keinen Umständen mehr von ihr wiedererlangt werden kann. Nachdem wir einmal gelernt haben, mit Hilfe von Extrakten wahrzunehmen, bemerken unsere Sinne die überflüssigen Emanationen nicht mehr. Um diesen Punkt näher zu erläutern, nahm er als Beispiel den Extrakt »menschlicher Körper«. Er sagte, daß unsere erste Aufmerksamkeit sich der Emanationen, die das leuchtende Ei außerhalb des physischen Körpers bilden, völlig unbewußt ist. Unser ovaler Kokon ist nicht Subjekt der Wahrnehmung; es werden alle Emanationen zurückgewiesen, die ihn wahrnehmbar machen würden, zugunsten derjenigen, die es der ersten Aufmerksamkeit erlauben, den physischen Körper so wahrzunehmen, wie wir ihn kennen. Auf Grund dessen besteht das Wahrnehmungsziel, das die Kinder beim Aufwachsen erreichen müssen, darin zu lernen, passende Emanationen zu isolieren, um ihre chaotische Wahrnehmung in geordnete Bahnen zu lenken und sie in die erste Aufmerksamkeit zu verwandeln. Auf diese Art lernen sie, Extrakte zu konstruieren. Alle Erwachsenen, die mit den Kindern in Berührung kommen, lehren das Abschöpfen. Früher oder später lernen die Kinder, ihre erste Aufmerksamkeit zu kontrollieren, um so die Extrakte auf die gleiche Art wie ihre Lehrer wahrzunehmen. Don Juan hörte nie auf, sich über die Fähigkeit des Menschen zu wundern, Ordnung in das Chaos der Wahrnehmung zu bringen. Er behauptete, daß ein jeder von uns durch seine eigenen Verdienste ein Meisterzauberer sei und daß unsere Magie darin besteht, den Extrakten, die unsere erste Aufmerksamkeit zu erstellen gelernt hat, Realität zu verleihen. Die Tatsache, daß wir mit Hilfe von Extrakten wahrnehmen, ist ein Befehl des Adlers, aber die Befehle als Dinge wahrzunehmen, ist unsere Kraft, unsere Gabe der Magie. Es ist jedoch unser Fehler, daß wir schließlich immer einseitig werden, weil wir vergessen, daß die Extrakte nur deshalb wirklich sind, weil wir sie als wirklich wahrnehmen, und dies nur wegen unserer Kraft, dies zu tun. Don Juan nannte dies ein Fehlurteil, welches die Reichtümer unserer geheimnisvollen Ursprünge zerstöre.

3 Die Extrakte bekommen ihren Sinn vom ersten Ring der Kraft zugewiesen

Don Juan sagte, daß der erste Ring der Kraft jene Macht ist, die von den Emanationen des Adlers ausgeht, um ausschließlich unsere erste Aufmerksamkeit zu beeinflussen. Er erklärte, daß sie wegen ihrer Dynamik, wegen ihrer ununterbrochenen Bewegung »Ring« genannt werde. Er wird Ring »der Kraft« genannt, erstens wegen seines Zwangscharakters und zweitens wegen seiner einzigartigen Fähigkeit, seine Werke anzuhalten, sie auszutauschen oder seine Richtung umzukehren. Sein Zwangscharakter zeigt sich vor allem darin, daß er die erste Aufmerksamkeit nicht nur zwingt, Extrakte zu konstruieren und aufrechtzuerhalten, sondern daß er einen Konsens von allen Teilnehmern verlangt. Bei uns allen wird eine völlige Übereinkunft über die getreue Reproduktion der Extrakte erzwungen, denn die Übereinstimmung mit dem ersten Ring der Kraft hat vollständig zu sein. Genau diese Übereinstimmung ist es, die uns die Sicherheit gibt, daß die Extrakte Dinge sind, die als solche unabhängig von unserer Wahrnehmung existieren. Außerdem endet der Zwang des ersten Ringes der Kraft nicht mit der anfänglichen Übereinkunft, sondern verlangt, daß diese andauernd erneuert wird. Unser ganzes Leben lang müssen wir z.B. so verfahren, als ob jeder einzelne unserer Extrakte wahrnehmungsmäßig der erste für jedes menschliche Wesen wäre, ungeachtet der Sprachen und der Kulturen. Don Juan gestand ein, daß, obwohl alles viel zu ernst sei, um darüber zu scherzen, der Zwangscharakter des ersten Ringes der Kraft so intensiv ist, daß er uns glauben macht, daß der »Berg« ein eigenes Bewußtsein besitzen könne, welches sich für den Extrakt hielte, den zu erstellen wir gelernt haben. Das für die Krieger wertvollste Merkmal des ersten Ringes der Kraft ist seine sonderbare Fähigkeit, seinen Energiefluß zu unterbrechen oder ihn ganz einzustellen. Don Juan sagte, daß dies eine verborgene Fähigkeit sei, die in uns allen als Hilfseinheit existiert. In unserer vertrauten Welt der Extrakte ist es jedoch nicht notwendig, sie zu benutzen. Da wir vom Netz der ersten Aufmerksamkeit wirksam betäubt und beschützt sind, legen wir uns nicht einmal vage Rechenschaft darüber ab, daß wir verborgene Auswege haben. Wenn sich uns jedoch eine andere Alternative zur Wahl stellt, wie das Anrecht des Kriegers auf den Gebrauch der zweiten Aufmerksamkeit, so kann diese verborgene Fähigkeit des ersten Ringes der Kraft zu funktionieren beginnen und mit eindrucksvollen Ergebnissen genutzt werden.337 Don Juan unterstrich, daß die größte Tat der Zauberer der Prozeß des Aktivierens dieser verborgenen Fähigkeit ist; er nannte ihn das Blockieren der Absicht des ersten Ringes der Kraft. Er erklärte mir, daß die Emanationen des Adlers, die von der ersten Aufmerksamkeit zum Konstruieren der Alltagswelt isoliert werden, einen eisernen Druck auf die erste Aufmerksamkeit ausüben. Damit dieser Druck aufhört, muß ihre Absicht aufgehoben werden. Die Seher nennen dies eine Blockierung oder eine Unterbrechung des ersten Ringes der Kraft

4 Die Absicht ist die Macht, die den ersten Ring der Kraft bewegt

Don Juan erklärte mir, daß die Absicht sich nicht auf das Haben eines Vorsatzes oder auf das Begehren der einen oder anderen Sache bezieht, sondern daß es sich bei ihr um eine unvergleichliche Macht handelt, die sich uns auf eine Weise verhalten läßt, die man als Vorsatz, Verlangen, Wille etc. beschreiben könnte. Don Juan stellte sie nicht als eine Seinsbedingung dar, die von einem selbst herrührt, wie es eine Gewohnheit wäre, die durch Sozialisation produziert ist, oder als eine biologische Reaktion, sondern er schilderte sie vielmehr als eine persönliche, innere Macht, die wir individuell besitzen und als Schlüssel dazu benutzen, den ersten Ring der Kraft auf eine akzeptable Art zu bewegen. Es ist die Absicht, die die erste Aufmerksamkeit lenkt, damit sich diese auf die Emanationen des Adlers innerhalb eines bestimmten Rahmens konzentriert. Und es ist ebenfalls die Absicht, die dem ersten Ring der Kraft befiehlt, seinen Energiefluß zu blockieren oder zu unterbrechen. Don Juan schlug mir vor, die Absicht als eine im Universum existierende unsichtbare Macht zu verstehen, die sich zwar nicht auf sich selbst bezieht, die aber dennoch alles beeinflußt: eine Macht, die die Extrakte schafft und aufrechterhält. Er versicherte mir, daß die Extrakte unaufhörlich neu geschaffen werden müssen, um mit Kontinuität erfüllt zu werden. Um sie allerdings jedesmal mit derselben Frische neu zu erschaffen, die sie zum Konstruieren einer lebendigen Welt brauchen, müssen wir sie jedesmal, wenn wir sie herstellen, neu beabsichtigen. So müssen wir z.B. den »Berg« in seiner ganzen Komplexität beabsichtigen, damit sich der Extrakt vollständig materialisiert. Don Juan sagte, daß für einen Betrachter, der ausschließlich mit der Basis der ersten Aufmerksamkeit ohne die Vermittlung der Absicht wahrnimmt, der »Berg« wie ein ganz verschiedener Extrakt erscheinen würde, etwa als der Extrakt »geometrische Form« oder als »amorpher Farbfleck«. Damit der Extrakt »Berg« vollständig ist, muß ihn der Beobachter beabsichtigen, sei es unwillkürlich durch die zwingende Macht des ersten Ringes der Kraft oder vorsätzlich durch das Training eines Kriegers. Don Juan nannte mir die drei Arten, wie die Absicht zu uns kommt. Die häufigste Art ist den Sehern als die »Absicht des ersten Ringes der Kraft« bekannt. Dies ist eine blinde Absicht, die durch einen Zufall zu uns kommt. Es ist, als ob wir in ihrem Weg wären oder als ob die Absicht sich in den unsrigen stelle. Unvermeidlich finden wir uns in ihren Maschen gefangen, ohne auch nur die geringste Kontrolle über das zu haben, was uns widerfährt. Die zweite Art ist die, bei der die Absicht aus eigenem Antrieb zu uns kommt. Dies setzt eine hochgradige Zielstrebigkeit von unserer Seite, ein Gefühl der absoluten Entschlossenheit, voraus. Nur unsere Tüchtigkeit als Krieger kann uns willentlich in den Weg der Absicht stellen; wir beschwören sie gewissermaßen herbei. Don Juan erklärte mir, daß sein Bestehen darauf, ein makelloser Krieger zu sein, nicht mehr als eine Anstrengung war, damit die Absicht wisse, daß er sich in ihren Weg stellt. Don Juan sagte, daß die Krieger dieses Phänomen »Kraft« nennen. Wenn sie also vom Besitzen von »persönlicher Kraft« sprechen, beziehen sie sich auf die Absicht, die freiwillig zu ihnen kommt. Das Resultat kann als die Fähigkeit beschrieben werden, neue Lösungen zu finden, oder als das Vermögen, Leute oder Ereignisse zu beeinflussen. Es ist, als ob andere Möglichkeiten, die dem Krieger zuvor unbekannt waren, plötzlich sichtbar werden. Deshalb plant ein makelloser Krieger nie etwas im vorhinein; trotzdem sind seine Handlungen so entschieden, als wenn er im voraus jede Facette seiner Aktivität einkalkuliert hätte. Die dritte Art, der Absicht zu begegnen, ist die seltenste und bei weitem komplizierteste: Sie geschieht, wenn uns die Absicht erlaubt, mit ihr zu harmonieren. Don Juan beschrieb diesen Zustand als den wahren Augenblick der Kraft: der Höhepunkt der Anstrengungen eines ganzen Lebens auf der Suche nach Makellosigkeit. Nur die besten Krieger erreichen ihn, und wenn sie sich in diesem Zustand befinden, läßt sich die Absicht von ihnen nach ihrem Belieben beherrschen. Es ist, als ob die Absicht mit diesen Kriegern verschmolzen wäre und sie auf diese Art in pure Macht verwandelt, ohne jede Vorbehalte. Seher nennen diesen Zustand die »Absicht des zweiten Ringes der Kraft« oder »Wille«.

 

5 Der erste Ring der Kraft kann mittels einer funktionellen Blockierung der Fähigkeit, Extrakte aufzustellen, angehalten werden

Don Juan sagte, daß es die Aufgabe des Nicht-Tuns sei, eine Hemmung der gewöhnlichen Einstellung der ersten Aufmerksamkeit herbeizuführen. In diesem Sinne sind die Manöver des Nicht-Tuns dazu bestimmt, die erste Aufmerksamkeit auf die funktionelle Blockierung des ersten Ringes der Kraft oder – mit anderen Worten – auf die Unterbrechung der Absicht vorzubereiten. Don Juan erklärte mir, daß diese funktionelle Blockierung, welche die einzige Methode ist, jene verborgene Fähigkeit des ersten Ringes der Kraft systematisch zu nutzen, eine vorübergehende Unterbrechung bedeutet, die der Wohltäter in der Fähigkeit des Schülers, Extrakte anzufertigen, schafft. Es handelt sich dabei um einen vorsätzlichen und kraftvollen künstlichen Eingriff in die erste Aufmerksamkeit mit dem Ziel, sie über die Erscheinungen, die uns die bekannten Extrakte zeigen, hinauszustoßen; dieser Eingriff gelingt durch das Unterbrechen der Absicht des ersten Ringes der Kraft. Don Juan sagte, daß der Wohltäter bei der Durchführung der Unterbrechung die Absicht als das behandelt, was sie in Wahrheit ist: ein Prozeß, ein Fluß, ein Energiestrom, der sich unter gewissen Umständen anhalten oder umorientieren läßt. Eine Unterbrechung dieser Art bedeutet jedoch eine Erschütterung von solchem Ausmaß, daß sie den ersten Ring der Kraft dazu veranlassen kann, ganz und gar stehenzubleiben; eine Situation, die unter unseren normalen Lebensumständen unmöglich begriffen werden kann. Es erscheint uns undenkbar, daß wir die zum Konsolidieren unserer Wahrnehmung gegangenen Schritte zurücknehmen können, aber es ist möglich, daß wir uns unter dem Eindruck dieser Unterbrechung in eine Wahrnehmungsposition versetzen können, die der an unseren Anfängen sehr ähnlich ist, als die Befehle des Adlers noch Emanationen waren, die wir noch nicht mit Bedeutung belegten. Don Juan sagte, daß jede Vorgehensweise, die der Wohltäter wählt, um diese Unterbrechung zu schaffen, aufs engste mit seiner persönlichen Kraft verbunden sein muß; daher verwendet ein Wohltäter keinerlei Prozeß zum Dirigieren der Absicht, sondern er bewegt sie mit Hilfe seiner persönlichen Kraft und bringt sie somit in die Reichweite des Lehrlings. In meinem Fall gelang die funktionelle Blockierung des ersten Ringes der Kraft mittels einer komplexen Vorgehensweise, die drei Methoden kombinierte: die Einnahme von halluzinogenen Pflanzen, die Manipulation des Körpers und das Sich-Bedienen der Absicht selbst. Am Anfang bediente sich Don Juan vor allem der kraftvollen Unterstützung der halluzinogenen Pflanzen, anscheinend wegen des Beharrens meiner rationalen Seite. Der Effekt war ungeheuerlich, und trotzdem verzögerte er die gesuchte Unterbrechung. Die Tatsache, daß diese Pflanzen halluzinogen waren, bot meiner Vernunft die ideale Rechtfertigung, all ihre verfügbaren Mittel zu sammeln, um weiterhin die Kontrolle auszuüben. Ich war überzeugt, alles, was ich erlebte, logisch erklären zu können, auch die unbegreiflichen Taten, die Don Juan und Don Genaro auszuführen pflegten, um die Unterbrechungen zu erzeugen. Ich erklärte sie mir als Wahrnehmungsstörungen, bedingt durch die Einnahme von Halluzinogenen. Don Juan sagte, daß der auffälligste Effekt der halluzinogenen Pflanzen etwas ist, daß ich jedesmal, wenn ich sie einnahm, als die sonderbare Empfindung interpretierte, daß alles um mich herum eine überraschende Fülle ausstrahlte. Da waren Farben, Formen, Details, die ich nie zuvor bemerkt hatte. Don Juan benutzte diese gesteigerte Fähigkeit meiner Wahrnehmung und brachte mich mittels einer Serie von Befehlen und Anmerkungen dazu, in einen Zustand der nervösen Erregung einzutreten. Dann manipulierte er meinen Körper und ließ mich von einer Seite des Bewußtseins zur anderen überwechseln, bis er phantasmagorische Visionen erzeugt hatte oder völlig reale Szenen mit dreidimensionalen Kreaturen, die unmöglich auf dieser Welt existieren konnten. Don Juan erklärte mir, daß wenn die direkte Beziehung zwischen der Absicht und den Extrakten, die wir konstruieren, unterbrochen ist, diese nie ersetzt werden kann. Von diesem Moment an erwerben wir die Fähigkeit, einen Strom von etwas einzufangen, daß er als »Phantomabsicht« kannte oder als die Absicht von Extrakten, die zur Zeit oder am Ort der Unterbrechung nicht vorhanden sind; das ist eine Absicht, die uns mit Hilfe eines Aspekts der Erinnerung zur Verfügung steht. Don Juan behauptete, daß wir mit der Unterbrechung der Absicht des ersten Ringes der Kraft aufnahmefähig und biegsam werden; ein Nagual kann dann die Absicht des zweiten Ringes der Kraft einführen. Don Juan war überzeugt, daß sich Kinder in einem gewissen Alter in einer ähnlich aufnahmebereiten Situation befänden; als Vertraute der Absicht sind sie bereit, daß ihnen jedwede Absicht eingeprägt wird, die den Lehrern in ihrem Umfeld erreichbar ist. Nach einer gewissen Zeitspanne der kontinuierlichen Einnahme von halluzinogenen Pflanzen hörte Don Juan vollständig mit ihrer Verwendung auf. Dennoch erreichte er neue und noch dazu dramatischere Unterbrechungen in mir, indem er meinen Körper manipulierte und mich in verschiedene Bewußtseinszustände wechseln ließ, gekoppelt mit dem Manövrieren der Absicht selbst. Mit Hilfe einer Kombination von hypnotischen Anweisungen und dazu passenden Kommentaren schuf Don Juan einen Strom von Phantomabsicht, und ich wurde dazu angeleitet, die alltäglichen Extrakte als etwas Unvorstellbares wahrzunehmen. Er nannte dies alles »einen Blick von der Unermeßlichkeit des Adlers erhaschen«. Don Juan führte mich meisterlich durch unzählige Unterbrechungen der Absicht, bis er als Seher davon überzeugt war, daß mein Körper den Effekt der funktionellen Blockierung des ersten Ringes der Kraft zeigte. Er sagte, er könne eine ungewöhnliche Aktivität in meinem leuchtenden Ei in der Nähe der Schulterblätter sehen. Er beschrieb es als eine Delle, die sich genauso geformt hatte, als ob die Leuchtkraft eine Muskelhülle sei, die durch einen Nerv zur Kontraktion gebracht wird. Für mich war der Effekt der funktionellen Blockierung des ersten Ringes der Kraft derart, daß es mir gelang, jene Gewißheit auszulöschen, die ich mein ganzes Leben lang gehabt hatte, nämlich, daß das, was meine Sinne übermittelten, »real« sei. Schweigend betrat ich einen Zustand der inneren Stille. Don Juan sagte, daß das, was den Kriegern diese extreme Unsicherheit gab, die sein Wohltäter am Ende seines Lebens verspürt hatte – die Resignation angesichts des Scheiterns, die er selbst erlebt hatte –, daher kommt, daß der Anblick der Unermeßlichkeit des Adlers uns ohne jede Hoffnung läßt. Hoffnung ist das Resultat unserer Vertrautheit mit den Extrakten und der Idee, daß wir diese kontrollieren. In solchen Augenblicken kann uns nur die Lebensweise des Kriegers helfen, unsere Anstrengungen aufrechtzuerhalten, um das zu entdecken, was der Adler uns verborgen hatte, aber ohne Hoffnung, daß wir das Entdeckte je verstehen können.

 6 Die zweite Aufmerksamkeit

Don Juan erklärte mir, daß die Untersuchung der zweiten Aufmerksamkeit mit der Einsicht beginnen muß, daß die einengende Macht des ersten Ringes der Kraft eine konkrete, physische Grenze ist. Die Seher haben sie als eine Nebelwand beschrieben, eine Barriere, die systematisch in unser Bewußtsein gehoben werden kann durch die Blockierung des ersten Ringes der Kraft und die später durch das Training des Kriegers durchstoßen werden kann.340 Nach dem Durchschreiten der Nebelwand erreicht man einen ausgedehnten Zwischenbereich. Die Aufgabe der Krieger besteht darin, diesen zu durchqueren, um die darauf folgende Trennungslinie zu erreichen, die man durchstoßen muß, um in das einzutreten, was eigentlich das andere Selbst oder die zweite Aufmerksamkeit ist. Don Juan sagte, daß die beiden Trennungslinien leicht zu unterscheiden sind. Wenn die Krieger die Nebelwand durchstoßen, fühlen sie, daß ihre Körper verdreht werden, oder sie empfinden ein intensives Zittern in ihrer Leibeshöhle, meist rechts vom Magen oder durch die Mitte, von rechts nach links. Wenn die Krieger die zweite Linie durchstoßen, fühlen sie ein Krachen im oberen Teil des Körpers, wie das Geräusch eines kleinen trockenen Astes, der entzweigebrochen wird. Die zwei Linien, welche die beiden Aufmerksamkeiten einfassen und die sie einzeln versiegeln, sind bei den Sehern als die »parallelen Linien« bekannt. Sie versiegeln die zwei Aufmerksamkeiten durch die Tatsache, daß sie sich bis ins Unendliche erstrecken, so daß man sie nur kreuzen kann, wenn man sie durchstößt. Zwischen den beiden Linien existiert ein spezifisches Bewußtseinsareal, welches von den Sehern »Vorhölle« (Limbus) genannt wird oder »das Gebiet zwischen den parallelen Linien«. Es handelt sich dabei um ein reales Gebiet zwischen zwei riesigen Ordnungen der Emanationen des Adlers; Emanationen, die sich innerhalb der Möglichkeiten des menschlichen Bewußtseins befinden. Eines ist jene Ebene, die das Selbst des alltäglichen Lebens erzeugt, und das andere die Ebene, welche das andere Selbst hervorbringt. Nachdem die Vorhölle eine Art Übergangszone ist, dehnen sich dort die zwei Felder übereinander aus. Der Teil der uns bekannten Ebene, der sich in dieses Gebiet erstreckt, koppelt sich an den ersten Ring der Kraft; und die Fähigkeit dieses Ringes zum Aufstellen von Extrakten veranlaßt uns, in der Vorhölle eine Serie von Extrakten wahrzunehmen, die fast so wie jene des täglichen Lebens sind, außer daß sie grotesk, ungewöhnlich und verzerrt erscheinen. Auf diese Weise hat die Vorhölle spezifische Merkmale, die sich nicht verändern, wenn man beim nächsten Mal wiederkehrt. Es gibt dort physische Merkmale, die den Extrakten des alltäglichen Lebens ähneln. Don Juan behauptete, daß das Gefühl der Schwere, das man in der Vorhölle erfährt, auf die steigende Last zurückzuführen ist, die auf die erste Aufmerksamkeit einwirkt. Im Gebiet, welches sich gleich hinter der Nebelwand befindet, können wir uns noch annähernd normal verhalten; es ist, als ob wir uns in einer grotesken, jedoch wiedererkennbaren Welt befänden. Je weiter entfernt wir von der Nebelwand vordringen, desto schwieriger wird es, die Merkmale zu unterscheiden oder sich auf die Art des bekannten Selbst zu benehmen. Er erklärte mir, daß es möglich sei, anstelle der Nebelwand irgend etwas anderes wahrzunehmen, aber daß die Seher entschieden haben, etwas zu verwenden, was möglichst wenig Energie verbraucht; diese Grenze als eine Nebelwand wahrzunehmen kostet überhaupt keine Kraftanstrengung. Das, was hinter der zweiten Trennungslinie existiert, ist bei den Sehern als die zweite Aufmerksamkeit bekannt, oder als das andere Selbst oder als parallele Welt; und der Akt des Überquerens der beiden Grenzen wird das »Kreuzen der parallelen Linien« genannt. Don Juan dachte, daß ich dieses Konzept eher verinnerlichen könnte, wenn er mir jeden Bewußtseinsbereich als eine spezifische Voraussetzung der Wahrnehmung beschriebe. Er sagte, daß wir im Gebiet der Bewußtheit des alltäglichen Lebens unentwirrbar in der Wahrnehmungsvoraussetzung der ersten Aufmerksamkeit verstrickt sind. Seit dem Moment, ab dem der erste Ring der Kraft mit dem Konstruieren von Extrakten beginnt, verwandelt sich die Art des Konstruierens in unsere normale Wahrnehmungsvoraussetzung. Das Durchbrechen der einenden Kraft dieser Wahrnehmungsvoraussetzung bedeutet das Durchbrechen der ersten Trennungslinie. Die normale Wahrnehmungsvoraussetzung erreicht dann den Zwischenbereich, der sich zwischen den parallelen Linien befindet. Man fährt fort, für eine Weile beinahe normale Extrakte zu konstruieren. Aber wenn man sich dem nähert, was die Seher die zweite Trennungslinie nennen, beginnt die Wahrnehmungsvoraussetzung der ersten Aufmerksamkeit nachzulassen; sie verliert ihre Kraft. Don Juan sagte, daß dieser Übergang durch eine plötzliche Unfähigkeit markiert ist, sich an das zu erinnern, was geschehen ist, oder es zu verstehen. Wenn man die zweite Trennungslinie erreicht, beginnt die zweite Aufmerksamkeit auf die Krieger einzuwirken, die diese Reise unternehmen. Wenn sie unerfahren sind, bleibt ihr Bewußtsein leer, und ihre Erwartungen werden enttäuscht. Don Juan behauptete, daß dies geschieht, weil sie sich einem Spektrum der Emanationen des Adlers nähern, für das sie noch keine systematisierte Wahrnehmungsvoraussetzung haben. Meine Erfahrungen mit La Gorda und der Nagualfrau hinter der Nebelwand waren ein Beispiel für diese Unfähigkeit. Ich reiste zum anderen Selbst, aber ich konnte keine Rechenschaft über das ablegen, was ich erlebt hatte, aus dem einfachen Grund, daß meine zweite Aufmerksamkeit noch unformuliert war und mir nicht die Möglichkeit bot, das, was ich wahrgenommen hatte, zu organisieren.341 Don Juan erklärte mir, daß man beginnt, den zweiten Ring der Kraft zu aktivieren, wenn man die zweite Aufmerksamkeit zwingt, aus ihrer Erstarrtheit zu erwachen. Dies erreicht man durch die funktionelle Blockierung des ersten Ringes der Kraft. Danach ist es die Aufgabe des Lehrers, die Anfangsbedingung des ersten Ringes der Kraft so wiederherzustellen, daß dieser am Ende wieder mit Absicht gesättigt ist. Der erste Ring der Kraft wird nämlich in Bewegung gebracht durch die Kraft der Absicht derjenigen, die das Extrahieren lehren. Als mein Lehrer gab er mir also eine neue Absicht, die ein neues Mittel zur Wahrnehmung schuf. Don Juan sagte, daß es ein ganzes Leben von unnachlässiger Disziplin braucht, die die Seher unbeugsame Absicht nennen, um den zweiten Ring der Kraft darauf vorzubereiten, Extrakte einer anderen Ebene der Emanationen des Adlers konstruieren zu können. Das Beherrschen der perzeptuellen Voraussetzung des parallelen Selbst ist eine Errungenschaft von unvergleichlichem Wert, die nur wenige Krieger erreichen. Silvio Manuel war einer dieser Wenigen. Don Juan wies mich außerdem darauf hin, daß man diese Beherrschung nicht vorsätzlich beabsichtigen sollte. Sollte es geschehen, so muß es mittels eines natürlichen Prozesses sein, der sich ohne große Anstrengung unsererseits entwickelt. Er erklärte, daß der Grund für diese Gleichgültigkeit auf der praktischen Erwägung beruhe, daß es durch die Beherrschung einfach sehr schwierig wird, sie zu unterbrechen; aber das Ziel, das die Krieger aktiv verfolgen, ist das Unterbrechen von beiden Wahrnehmungsvoraussetzungen, um in die endgültige Freiheit der dritten Aufmerksamkeit einzutreten.

Anmerkungen und Quellennachweis Einführung1 »Brujo« bedeutet im Spanischen »Hexer, Zauberer«. Don Juan bezeichnet sich selbst als »brujo« im Gegensatz zu den schwarzen Magiern, den sog. »diableros«. 2 Z.B. de Mille, Richard: Die Reisen des Carlos Castaneda. Bern 1980. De Mille glaubt beweisen zu müssen, es könne Don Juan nicht gegeben haben, erkennt aber die Hoffnungslosigkeit eines solchen Unterfangens nicht. 3 Beispiele für ein solches »Schubladendenken« sind m.E.: Wittmann, Ulla: Leben wie ein Krieger. Interlaken 1988; oder: Ulrich, Hans E.: Von Meister Eckhardt bis Carlos Castaneda. Frankfurt a. M. 1986. 4 Corvalán, Graciela: Der Weg der Tolteken. Frankfurt a. M. 1987. Zur Zeit der Erstveröffentlichung dieses Buches waren nur zwei weitere Interviews mit Castaneda bekannt; eines mit der Time-Korrespondentin Sandra Burton und ein weiteres mit dem Theologen Sam Keen.

Veröffentlicht in: Norbert Classen. Das Wissen der Tolteken: Carlos Castaneda und die Philosophie des Don Juan .Mexikanische Ausgabe von die Kunstz des Pirschens Carlos Castaneda El don del aguila